Olivia Pilhar: Strafprozeß gegen Eltern
Zeuge Masicek

Zeuge Mag. Rudolf Masicek, geb. 18.06.1945, Vorsteher des Bezirksgerichtes Wr. Neustadt, fremd, gibt nach WE vernommen an:

Der ER: Ab welchem Zeitpunkt und warum mußte das Ehepaar Pilhar damit rechnen, daß es wirklich zu einer Entziehung der Obsorge kommt?

Im Tagsatzungsprotokoll vom 09.06.1995, S.4, heißt es: "Kindesvater erklärt nochmals, daß er der gewünschten Ultraschalluntersuchung nicht zustimme, da ihm seitens der Ärzte und auch von dem heute hier anwesenden Dr. Hawel erklärt wurde, daß die Gefahr einer Metastasenbildung auch dann nicht völlig gebannt sei, wenn der Tumor nicht weiterwachse. Aus diesem Grunde sei die gewünschte Ultraschalluntersuchung nicht

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zielführend. Dabei bleibt er auch, nachdem ihm mitgeteilt wird, daß er dann dem Gericht keine wie immer geartete Möglichkeit läßt, von einer allfälligen Entziehung der Obsorge Abstand zu nehmen."

Hat zu diesem Zeitpunkt zum ersten Mal aus der Sicht des Ehepaares Pilhar die Gefahr bestanden, daß jetzt die Abnahme droht?

Zeuge: Das Protokoll entspricht vollkommen den Tatsachen. Es gibt natürlich nur in kurzen Zügen das relativ lange Gespräch, das ich mit Herrn Pilhar damals geführt habe, wieder. Es ist der Versuch unternommen worden, sein Vertrauen zu gewinnen, ihn zu einer Therapie zu bewegen. Ich habe ihm damals freigestellt, sich einen Arzt seines Vertrauens auszusuchen. Er hat mir nämlich immer erklärt, dieser Tumor sei bereits stabil, er würde wieder kleiner werden, er könne sich nicht mehr vergrößern. Man solle doch unbedingt einmal seine Wünschen und seinen Therapievorstellungen nachgeben. Es gibt einen weiteren Aktenvermerk vom 12.06.1995, als Herr Pilhar dann angerufen hat und erklärt hat, er werde doch eine solche Ultraschalluntersuchung hinsichtlich der Größe des Wilmstumors machen, weil ich ihm gesagt habe - da steht an sich nichts im Protokoll - wenn sich der Tumor nicht vergrößert hat seit der letzten Untersuchung, die glaublich im Mai war, würde ich einige Zeit zuwarten, um ihm Gelegenheit zu geben, zu schauen, wie sich das Ganze weiterentwickelt. Wenn er aber nicht bereit ist, diese gewünschte Ultraschalluntersuchung machen zu lassen, dann muß er absolut rechnen, daß es zur Entziehung der Obsorge kommt. Aus dem Grund war ja auch Dr. Hawel, der damals noch nicht Sachverständiger war, bereits dabei, weil dieser ein modernes Ultraschallgerät hat und ich gewünscht hätte, daß

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man das sofort machen könnte, um ja nicht viel Zeit zu verlieren.

Der ER: Bis zum Beschluß war dann nichts mehr?

Zeuge: Der Aktenvermerk war so, daß er versprochen hat, binnen spätestens zwei oder drei Tagen mir dieses Ergebnis der Ultraschalluntersuchung vorzulegen. Ich habe dann einige Tage zugewartet und dann festgestellt, daß ein solches Ergebnis nicht vorgelegt worden ist, woraufhin ich mich gezwungen gesehen habe, diesen Beschluß zu erlassen.

Der ER: In dem Beschluß steht "Gemäß § 12 AußStrG wird der sofortige Vollzug der getroffenen Maßnahme angeordnet". Warum mußte das Ihrer Meinung nach sofort geschehen?

Zeuge: Das diente nur der Verdeutlichung. Grundsätzlich sind ja außerstreitige Beschlüsse sofort vollstreckbar, d.h. es bedarf ja keiner weiteren Zuwartefrist. Man muß immer unterscheiden zwischen Vollstreckbarkeit und Rechtskraft. Das sind zwei vollkommen verschiedene Sachen. Beschlüsse im Außerstreitverfahren sind sofort vollstreckbar, Rekurse haben keine aufschiebende Wirkung.

StA: keine Fragen.

Verteidiger Mag. Rebasso: Es geht um die Zustellung dieses Beschlusses. Sie haben den Beschluß am 23.06.1995 gefaßt. Wie ist es dann weitergegangen? Sie werden den Beschluß nicht in Anwesenheit der beiden Herrschaften verkündet haben?

Zeuge: Richtig.

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Verteidiger Mag. Rebasso: Somit mußten Sie ihnen eine schriftliche Beschlußausfertigung zukommen lassen.

Zeuge: Ich habe sie an der Wohnadresse zugestellt. Ich habe einen Rückschein bekommen. Die Mutter der Frau Pilhar hat das übernommen.

Verteidiger Mag. Rebasso: Demnach haben Sie keinen Postfehlbericht bekommen?

Zeuge: Nein.

Verteidiger Mag. Rebasso: Die Eheleute Pilhar sagen, sie waren zu diesem Zeitpunkt schon einige Tage lang gar nicht mehr ortsanwesend. Somit müßte eigentlich von einem Zustellmangel ausgegangen werden.

Zeuge: An sich nicht, weil die 'Zustellung in weiß' in diesem Fall sicherlich zulässig ist und daher die Schwiegermutter durchaus zur Empfangnahme dieses Beschlusses berechtigt war.

Verteidiger Mag. Rebasso: Stimmt es, daß Sie den beiden Beschuldigten - so ihre Verantwortung - nach der Rückkehr mit der Flugambulanz in Tulln noch einmal diesen Beschluß ausgehändigt haben?

Zeuge: Nein. Das stimmt nicht. Ich habe Ihnen in Tulln die Ausfertigung der Rekursentscheidung überreicht, wobei ich Sie gefragt habe, ob Sie diese schon kennen und haben, nicht des ersten Beschlusses. Das habe ich sicherlich nicht als notwendig erachtet, weil in der Zwischenzeit ja ein Rekurs gekommen ist, d.h. ein Rekurs der Kindeseltern gegen meinen Beschluß, also ein Rechtsmittel, so daß ich annehmen konnte, daß Ihnen der Beschluß sehr wohl bekannt war und auch in irgendeiner Form zugekommen ist. Davon bin ich ausgegangen. Sonst hätte der Anwalt das Rechtsmittel nicht machen können.

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Verteidiger Dr. Schefer: Haben Sie damit gerechnet, daß einer solchen gerichtlichen Maßnahme elterlicher Widerstand entgegengesetzt wird?

Zeuge: Das ist eine schwer zu beantwortende Frage. Im Prinzip hat man gewisse massive Widerstände schon gespürt, allerdings habe ich nicht unbedingt gerechnet, daß man sich dann so massiv dagegensetzen wird.

Verteidiger Dr. Schefer: Hatten Sie schon Vorkehrungen für den Fall getroffen, daß Ihrem Beschluß Widerstand entgegengebracht wird?

Zeuge: Nein.

Verteidiger Dr. Schefer: Es wurde die Formulierung gewählt, "jetzt droht die Abnahme". Ich habe zuerst die Abnahme einer Videoanlage mit der Abnahme eines Kindes verglichen. Da ist ja ein Unterschied. Auch wenn wir Juristen sind, wollen wir die menschliche Seite nicht vergessen.

Zeuge: Das tut das Pflegschaftsgericht sicherlich nicht. In dem Beschluß steht ausdrücklich, daß dem Jugendamt, dem aufgetragen worden ist, für die Behandlung zu sorgen, dies möglichst unter Einbindung der Eltern und der Mutter zu machen hat. Das steht ausdrücklich drin. Zu behaupten, daß wir uns wie bei einer Videoanlage über etwas hinwegsetzen, finde ich etwas übertrieben.

Es gibt technische Ausdrücke im juristischen Bereich, die eben verwendet werden müssen.

Verteidiger Dr. Schefer: Welcher Person vom Jugendamt wurde die tatsächliche Ausführung der Obsorge übertragen?

Zeuge: Die Jugendabteilung wird in Österreich bestellt. Grundsätzlich ist das Land Träger, das Land delegiert das aber an die einzelnen Jugendämter. Die

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Jugendämter sind als solche der Leiter des Jugendamtes oder sein Vorgesetzter. Es steht ausdrücklich im Gesetz, "der Jugendwohlfahrtsträger ist zum Vormund zu bestimmen."

Verteidiger Dr. Schefer: Sind Ihnen gleichgelagerte Fälle von Kindesabnahmen aus Ihrer Praxis bekannt?

Zeuge: Ich mache das etwa 20 Mal im Jahr.

Verteidiger Dr. Schefer: Auch Fälle wie diesem speziellen Fall, wo es um widerstreitende Beurteilung einer medizinischen Behandlung geht?

Zeuge: Ein solcher Fall war, ausgenommen bei der Ersetzung der Zustimmung hinsichtlich Bluttransfusionen, an sich noch nicht da. Dieser spezielle Fall ist natürlich ein Einzelfall.

Verteidiger Dr. Schefer: Welche Gutachten haben Sie Ihrer Entscheidung zugrundegelegt?

Zeuge: Das Gutachten des Dr. Hawel.

Verteidiger Dr. Schefer: Haben Sie versucht, Einblick in die Krankenhausunterlagen zu erhalten?

Zeuge: Das hätte ich in dem Moment nicht haben können, weil diese meines Wissens die Eltern selbst gehabt haben. Die Unterlagen sind ihnen vom St.Anna-Kinderspital mitgegeben worden, als sie das Kind dort wieder herausgenommen haben.

Ich habe von dem Ganzen am 31.05.1995 Kenntnis erlangt. Die Zustellung des Beschlusses bzw. Kenntnis der Kindeseltern ist glaube ich spätestens am 28.06.1995 erfolgt, dies unter Hinweis auf das Buch des Herrn Pilhar, in dem er selbst schreibt, daß ihm am 28.06.1995 der Inhalt meines Beschlusses mitgeteilt worden ist.

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Verteidiger Dr. Schefer: Sie haben dieses Gutachten Dris. Hawel einzig und allein Ihrer Entscheidung zugrundegelegt?

Zeuge: Nein, nicht nur das Gutachten, auch regionale Umstände. Der Gutachter ist ja nur eine Hilfe.

Verteidiger Dr. Schefer: Der Entscheidung über die medizinisch notwendige Behandlung haben Sie dieses Gutachten zugrundegelegt?

Zeuge: Das ist richtig.

Verteidiger Dr. Schefer: An der Richtigkeit des Gutachtens hatten Sie demzufolge keinen Zweifel?

Zeuge: Das ist richtig.

***

Der Erstbeschuldigte gibt hierzu an:

Der Ausführung des Zeugen, er hätte uns in Tulln einen Obsorgeentzug nicht ausgehändigt, muß ich entgegenhalten, daß nach meinen Erinnerungen er uns sehr wohl den Obsorgeentzug ausgehändigt hat zusammen mit der Rekursentscheidung, und zwar mit der Bemerkung, ob uns dieser Beschluß nicht bereits in Spanien ausgehändigt worden ist. Als ich das verneint habe, hat er erklärt, es ist drunter und drüber gegangen, es ist versucht worden, Konsul Esten zu erreichen, das ist aber nicht gelungen; aus diesem Grund gibt er uns jetzt eben in Tulln den Beschluß noch einmal.

Der ER: Im Protokoll vom 28.07.1995, Krankenhaus Tulln, heißt es: "Befragt, ob mir in Spanien die Entscheidung des Rekursgerichtes, sprich des Landesgerichtes Wr. Neustadt, ausgefolgt wurde, gebe ich an, daß das alles mein Mann gemacht hat. Ich habe mich nur um mein Kind gekümmert." Im Protokoll ist nur vom Rekursgericht die Rede.

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Erstbeschuldigter: Es kann jetzt sein, daß ich das verwechsle; daß Mag. Masicek gemeint hat, daß er uns den Rekurs zuzustellen versucht hat; aber ausgehändigt hat er uns mit dem Rekurs auch den Obsorgeentzug, in zweifacher Ausfertigung für meine Frau.

Der ER: Nach Vorhalt AS 31 im P-Akt: "Ich habe vom Konsul in Malaga die Entscheidung des Landesgerichtes Wr. Neustadt als Rekursgericht nicht ausgehändigt erhalten. Ich quittiere mit der Unterfertigung des Protokolls den Erhalt dieser Rekursentscheidung, von der mir mitgeteilt wird, daß sie auch mein Anwalt, der den Rekurs überreicht hat, bereits zugestellt worden ist."

EB: Zu diesem Zeitpunkt habe ich mit dem Rekurs auch den Obsorgeentzug noch einmal ausgehändigt bekommen. Dort habe ich den Obsorgebeschluß überhaupt das erste Mal in Händen gehabt.

ARCHIV - 1996
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